Darf ich mich vorstellen: Ich bin Baxter, ein bald jähriger Tierschutz-Mischlingsrüde und ja, ich habe Angst vor dir. Sobald ich dich sehe, taucht eine extreme Angst in mir auf. Furcht! Fluchtgedanken! Panik! Herzrasen! Ich kann es kaum ertragen! Bitte fixiere mich nicht mit deinen Augen! Nimm den Blick weg von mir! Ich schau dich doch auch nicht an und mache meinen Sicherheitsabstand zu dir! Ich schreie innerlich und explodiere fast aus lauter Angst vor dir!
Ich vertraue nur meinem Herrchen und meinem Frauchen zu 100%. Sie sind mein Anker im Leben, sie geben mir Sicherheit – Zeit – Freiraum – ein sicheres zu Hause. Hier kann ich sein, wie ich bin und muss mich nicht fürchten. Aber vor dir habe ich Angst. Dich kenne ich ja nicht, wie soll ich dir vertrauen? Ich kenne deine Absichten nicht…
Wenn ich dir begegne auf meinem Spaziergang, mache ich meinen Sicherheitsabstand, setze mich hin, schaue so gut wie möglich weg, gähne meinen Stress raus und zittere vor mich hin.
Ich höre dann deine überschwänglichen und schrillen Worte: «Wow, ist das ein guterzogener Hund, der macht ja ganz brav sitz – der gehorcht aber super».
Waaaas??! Schau mich doch an, ich sterbe fast aus lauter Angst vor dir! Siehst du nicht wie ich zittere, meine Rute nach unten eingeklemmt habe und einfach nur warte, bis du endlich weitergehst? Bitte ignoriere mich! Warum bin ich nicht unsichtbar für dich? Das «brav Sitz machen» ist meine Strategie geworden, damit ich es aushalten kann. Flüchten kann ich nicht, da ich angeleint bin. Verstehst du mich dann gar nicht? Schau meine Körpersprache an und dir wird Einiges klar…
Oh, wie froh bin ich, dass Frauchen und Herrchen noch bei mir sind und mit mir zusammen meine Angst ausstehen. Zusammen schaffen wir diese angsteinflössende Situation zu überstehen. Ihre Stimmen und Schutz lassen mich wieder ruhiger atmen und ich komme langsam wieder aus der Panik heraus. Und da ist zu meinem Glück noch meine Xena, sie hilft mir auch. Sie ignoriert dich einfach und macht ihren Weg. Sie interessiert sich nicht für dich und schnuppert weiter an dem anscheinend interessanten Grashalm. Sie ist immer so relaxed, auch wenn du auf uns zukommst.
Ja, irgendwann mach ich das auch so. Irgendwann kann ich ganz entspannt dir begegnen. Irgendwann gehe ich auch meinen Weg, ohne einen Sicherheitsabstand machen zu müssen. Irgendwann ist meine Angst vor dir auch verflogen. Irgendwann bin ich ganz mutig und gehe selbstbewusst an dir vorbei. Ja, irgendwann ist der Zeitpunkt da, an dem ich ohne das Zittern und «brav Sitz» dich betrachten kann. Irgendwann bist du für mich keine Gefahr mehr. Irgendwann kann ich dich ganz entspannt anschauen und deinen Blick ertragen. Irgendwann…
Herrchen & Frauchen sagen mir immer wieder, dass ich mich schon sehr gemacht habe und bereits mutig geworden bin. Wir haben ab und zu sogar recht entspannte Spaziergänge und kann es geniessen. Herrchen und Frauchen sind sehr stolz auf mich, auch wenn ich wieder meine schlimmen Angst-Tage habe. Sie akzeptieren mich wie ich bin. Ich weiss, dass ich mit meiner Panik vor Menschen sehr viel Geduld und Nerven beanspruche von meiner Familie und doch kann ich diese Angst im Moment noch nicht ablegen.
Du fragst dich jetzt vielleicht, weshalb ich so Panik vor dir habe? Mir ist zum Glück nichts Böses passiert und habe auch keine Gewalt erfahren, aber ich habe in meinen ersten Lebenswochen keinen Menschenkontakt gehabt. Meine 6 Geschwister und ich waren damals irgendwo im Nirgendwo ohne jemals einen Menschen gesehen oder gehört zu haben. Ich muss zuerst noch das Vertrauen zur Spezies Mensch erlernen und erfahren. Für mich ist dies ein wichtiger Lernprozess, der einfach noch ein wenig Zeit und eine grosse Portion Geduld benötigt. Mein Herrchen & Frauchen wie auch ich sind sehr zuversichtlich, dass plötzlich irgendwann der Zeitpunkt hier ist, an dem ich meine Angst vor dir ablegen kann.
Mit zuversichtlichen Grüssen
Dein Baxter
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